Eschenlohr, Ludwig

Eine Stadtwüstung im Kanton Solothurn: Altreu im Mittelalter

In Altreu, diesem zur Gemeinde Selzach gehörenden Weiler an der Aare, war es der Fluss, der die archäologische Substanz verschwinden liess. Seit 1949 wurden in zahlreichen Baugruben Teilbefunde einer ehemaligen Siedlungen gesammelt; diese sind nun in dieser vorliegenden Publikation zu einem Gesamtbild zusammen gesetzt worden Das Resultat ist für die Mittelalterforschung im Kanton Solothurn, aber auch für die Mittelalterarchäologie der ganzen Schweiz von grosser Bedeutung. Dank der Tatsache, dass hier vieles zusammenhängend überliefert ist, was andernorts aus Splittern mühsam rekonstruiert werden muss, ergeben sich wertvolle Einblicke in das Leben einer mittelalterlichen Kleinstadt. Mit der Stadtbefestigung, der Stadtburg und den zur Gasse hin orientierten Wohnbauten verfügt Altreu über alle Elemente einer mittelalterlichen Stadt. Nach einer Brandkatastrophe in der zweiten Hälfte des 14. Jh. wurde das Städtchen aufgegeben und geriet in Vergessenheit. Eine grosse Hinterlassenschaft hat aber im Boden überdauert: über 20'000 Artefakten sind geborgen worden und werden im umfangreichen Fundkatalog nach den verschiedensten Bereichen aufgegliedert vorgestellt.

Die Burg Marmels: Eine bündnerische Balmburg im Spiegel von Archäologie und Geschichte

Rund hundert Meter über dem Stausee Marmorera liegen unter einem gewaltigen Felsvorsprung die Ruinen der Burganlage Marmels (Gemeinde Marmorera im Tal Oberhalbstein/Sursés, Kanton Graubünden). Die Burg gehörte im hohen und späten Mittelalter den Herren von Marmels, Ministerialen des Churer Bischofs. Zur Anlage in schwindelerregender Höhe gehörte einst eine Kapelle mit zwei angrenzenden Gebäuden, ein Tortrakt und ein repräsentativer, mindestens viergeschossiger Wohnturm.
Eine umfassende Sanierung der Burgruine ermöglichte es dem Archäologischen Dienst Graubünden in den Jahren 1987 und 1988, bauhistorische Untersuchungen an den erhaltenen Gebäuderesten und Ausgrabungen auf dem Gelände durchzuführen. Dass auf einem Burgareal gegraben wird, hat im Kanton Graubünden Seltenheitswert. Doch gerade die Grabungsresultate von Marmels sind für die schweizerische Burgenforschung in verschiedener Hinsicht von Bedeutung.
Dank der Lage der Burg unter einem riesigen Felsvorsprung war ein Grossteil der Anlage stets vor der Witterung geschützt – ein Glücksfall für die Forschung, lagen die Funde doch so über all die Jahrhunderte mehrheitlich im Trockenen. Neben dem grossen Umfang des Fundmaterials ist dessen Bandbreite und Erhaltungszustand aussergewöhnlich. Insbesondere die in mittelalterlichen Ausgrabungen sonst nur marginal vorhandenen organischen Funde waren auf Marmels zahlreich: an die 1000 Hölzer, darunter Geräte, Möbelteile, Bauhölzer und Abfallhölzer, die vom Bauvorgang zeugen, lagen in den ergrabenen Schichten, ferner kamen Lederfragmente und Schuhe, Pergamentreste, zum Teil sogar beschrieben, mehr als 21 000 Tierknochen und 18 000 einzelne Pflanzenreste zutage. Zum organischen Material hinzu kommen Metallgegenstände sowie zahlreiche Schlacken, die von der Metallgewinnung und -verarbeitung zeugen, etwas Keramik und ein grosses Ensemble an Lavezgefässen. Diverse Holzobjekte (Bauhölzer und Geräte) konnten mithilfe der Dendrochronologie sicher datiert werden.
Dadurch gelang es, die Entstehung der Anlage um 1140 und deren Auflassen gegen Ende des 14. Jh. beziehungsweise zu Beginn des 15. Jh. zu datieren. Aber auch Ereignisse während der Burgenzeit konnten mit dieser Methode zeitlich näher bestimmt werden.