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Odyssee als Party
Drei Aufführungsberichte aktueller Bühnenadaptionen der Odyssee aus Brasilien
Philipp Schulte konstatiert in seinem Beitrag eine zunehmende Zahl an Inszenierungen der homerischen Odyssee im aktuellen Sprech- und Musiktheater ebenso wie in der Performancekunst, was nicht zuletzt mit seit 2016 festzustellenden Migrationsphänomenen in Zusammenhang stehen könnte. Bereits 1967 hat Michel Foucault das aktuelle Zeitalter zur „Epoche des Raumes, […] des Simultanen, […] des Nebeneinander“ ausgerufen, welches auf ein von Geschichte und Geschichtsschreibung geradezu besessenes 19. Jahrhundert folge, und er verändert damit zugleich grundlegend das traditionelle Verständnis der abenteuerlichen Erkundungs- und Irrfahrt im Stile des Odysseus. Fortan gilt es nicht mehr, unbekanntes Terrain in einer als Expansionsraum verstandenen Welt zu erfahren; stattdessen stehen zahlreiche als global anzusehende Probleme oft in Verbindung mit der Vorstellung von Welt als Lagerungs- oder Platzierungsraum. Was ist an welchem Ort, wo ist Platz für wen; wie Territorium beschützen und begrenzen, wie umgehen mit Phänomenen des Nomadischen? Schulte zufolge kann, aufbauend auf Foucault, zeitgenössische Performancekunst, wie er sie anhand dreier aktueller Bühnenadaptionen vorstellt, als paradigmatische Kunstform dieses Zeitalters betrachtet werden, da sie temporäre Gemeinschaft konstituiert. Gerade diese Gemeinschaft wird aus Sicht der Verlassenen verhandelt und als aktive Performancegemeinschaft für die Re-Theatralisierung der homerischen Narration genutzt (Leonardo Moreira, Odysseia), im anderen Fall – das Diptychon Christiane Jatahys: Itaque (Our Odyssey 1), The Lingering Now – O Agora que demora (Our Odyssee 2) – führt sie das exklusiv Bemühen vor, in einer untergehenden Welt das unerfreuliche Anderswo zu verdrängen.