Zitationsvorschlag

Burgdorf, Wolfgang: 1806 – Geschichtsverlust und Flucht in die Geschichte, in Germanisches Nationalmuseum, Wiwjorra, Ingo und Hakelberg, Dietrich (Hrsg.): Archäologie und Nation: Kontexte der Erforschung „vaterländischen Alterthums“: Zur Geschichte der Archäologie in Deutschland, Österreich und der Schweiz, 1800 bis 1860, Heidelberg: arthistoricum.net, 2021, S. 8–13. https://doi.org/10.11588/arthistoricum.801.c11969

Identifier (Buch)

ISBN 978-3-948466-84-8 (PDF)

Veröffentlicht

13.07.2021

Autor/innen

Wolfgang Burgdorf

1806 – Geschichtsverlust und Flucht in die Geschichte

In der ersten Augustwoche 1806 verloren die Deutschen mit ihrem Reich auch ihre Geschichte. Als sich nach den Wirren der Napoleonischen Kriege und dem Wiener Kongress die Zeiten wieder beruhigten, begaben sich deutsche Intellektuelle auf die Suche nach der Geschichte der Deutschen. Es war die Suche nach der verlorenen Ordnung der Nation. Da aber alle noch regierenden Dynastien sich an der Auflösung des Reiches und der untergegangenen Territorien bereichert hatten, war die Zeitgeschichte tabuisiert. Das frühneuzeitliche Reich wurde nun systematisch diskreditiert, um seine Auflösung zu rechtfertigen. Damit war es für die Protagonisten der nationalen Bewegung unmöglich, sich auf das 1806 untergegangene Reich zu beziehen. Es kam zu einer kollektiven Flucht der Deutschen ins Mittelalter und noch weiter in die heidnische Vorzeit. Dieser Kontext bot ideale Voraussetzungen für die Entstehung des historischen Vereinswesens, der Germanistik, der Historischen Rechtsschule, der Kunst der Romantik, der mittelalterlichen Kunstsammlungen und der nationalen Altertumskunde.