Siemers-Klenner, Ines
Archäologie des Mithraskultes: Architektur und Kultpraxis am Beispiel der Tempel von Güglingen, Kreis Heilbronn
Die umfangreichen Ausgrabungen in Güglingen im Zabergäu führten 1999 und 2002 zur Entdeckung von zwei Mithrastempeln. Der erste war aus Stein errichtet und fast seiner gesamten Ausstattung beraubt. Das zweite, kleinere Mithräum dagegen bewahrte unter dem eingestürzten Ziegeldach große Teile des Inventars. In dem Fachwerkbau blieben in bisher einmaliger Form Steindenkmäler, Tempelgeschirr, persönlicher Besitz der Gläubigen, verschiedenste Weihegaben und liturgische Geräte erhalten.
Die einmalige archäologische Überlieferung ermöglichte nicht nur die Rekonstruktion der Baugeschichte beider Tempel, sondern erlaubte erstmals einen tiefen Einblick in die bisher unbekannte liturgische Praxis des Mithraskultes. So legen die Funde und Befunde etwa nahe, dass in den Tempeln Szenen aus der Mithraslegende unter Einsatz von besonderen Lichteffekten nachgestellt wurden. Die Funde aus Mithräum II belegen den schon lange vermuteten praktischen Vollzug der aus Schriftquellen bekannten Initiationen in Form von Mutproben bzw. symbolischen Todeserfahrungen. Der Fachwerkbau von Güglingen ist zudem der älteste Nachweis des eigenständigen Tempeltyps „Mithräum“ aus der Zeit um 115/125 n. Chr. und verleiht damit der Frage nach der Ausbreitung dieses Kultes neue Dynamik.