Zitationsvorschlag

Weiß, Matthias: Völlig losgelöst? Zinnfigurenserien zu Homers Odyssee zwischen Epigonalität und Emanzipation, in Dolle, Katrin und Dreiling, Semjon Aron (Hrsg.): Space Oddities: Die homerische Irrfahrt in Bildkünsten und Populärkultur 1800–2021 (Europa – USA – Südamerika), Heidelberg: arthistoricum.net, 2022, S. 525–544. https://doi.org/10.11588/arthistoricum.941.c12459

Identifier (Buch)

ISBN 978-3-98501-050-9 (PDF)
ISBN 978-3-98501-051-6 (Hardcover)

Veröffentlicht

13.04.2022

Autor/innen

Matthias Weiß

Völlig losgelöst? Zinnfigurenserien zu Homers Odyssee zwischen Epigonalität und Emanzipation

Spätestens ab Mitte des 18. Jahrhunderts als sogenanntes Lernspielzeug eingesetzt, ist die Zinnfigur in ihrer „kulturhistorischen“ Ausprägung seit etwa 1920 auch bei Erwachsenen beliebt. Das breite Themenspektrum, das die Hersteller*innen bis heute abdecken, umfasst auch Szenen aus Homers Ilias und Odyssee. Matthias Weiß zeigt, dass die als szenische Arrangements angelegten Gruppen wie etwa Odysseus und Kalypso (ehem. Wolfgang Hafer, Kassel) oder Kleinserien wie Odysseus und die Sirenen (ehem. Alfred Retter, Stuttgart) häufig in enger Anlehnung an berühmte Vorbilder, wie z. B. einen 1863–1868 entstandene Freskenzyklus von Friedrich Preller dem Älteren (1804–1878) aus dem Neuen Museum in Weimar oder einem monumentalen Gemälde von Otto Greiner (1902, verschollen), gestaltet worden sind. Aus dezidiert kunsthistorischer Perspektive untersucht er diese populärkulturelle Übersetzungsleistung, vom Entwurfsprozess über Guss, Bearbeitung und Bemalung der Zinnfiguren bis hin zu ihrer Präsentation in Form von Vignetten, Dioramen oder Tischaufstellungen, sowie ihr Verhältnis zur „Hochkunst“. Es wird deutlich, das namhafte Zeichner und Graveure wie Hans Lecke, Ludwig Madlener, Sixtus Maier und vor allem Franz Karl Mohr besagte Vorbilder nicht bloß kopierten, sondern produktiv aneigneten und gar in den Erzählverlauf der Odyssee eingriffen, laut Weiß – ein „emanzipativer Akt“, der bereits in Entwurf und Umsetzung der Figuren angelegt ist und in der Präsentationspraxis der Sammler*innen kulminiert.