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Der Historische Verein zu Bamberg und die ethnische Deutung der oberfränkischen Grabhügel
Die ethnische Deutung der oberfränkischen Grabhügel durchlief im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts innerhalb eines Zeitraums von kaum 15 Jahren eine schnelle Entwicklung. Zur Mitte der 1820er Jahre legten sich der Privatgelehrte Joseph Heller und der Pfarrer Nikolaus Haas auf die seit dem 8. Jahrhundert ansässige slawische Bevölkerung der „Wenden oder Winden“ als Erbauer der Hügelgräber fest. Dabei stützten sie sich auf schriftliche Quellen des Mittelalters. Die aus ihren Grabungen gewonnenen Inventare deuteten sie ausgehend von diesem Vorwissen als materielles Kulturgut der Slawen. Dabei wurden die Slawen teils romantisch verklärt; in Haas’ Schriften finden sie – neben den christlichen Deutschen – gar Anerkennung als Vorfahren der rezenten oberfränkischen Bevölkerung. Diese Sichtweise blieb jedoch in den 1830er Jahren nicht unbestritten. Gerade fundreichere oder mit qualitätvolleren Keramik- oder Metallgegenständen ausgestattete Gräber, die heute in die Bronze- beziehungsweise in die Hallstatt- oder Latènezeit datiert werden, galten als Hinterlassenschaften von „Germanen“ oder „Deutschen“. Durch die zahlreichen Ausgrabungen und sich anschließenden Publikationen des Pfarrers Lukas Hermann zu Beginn der 1840er Jahre verfestigte sich diese Sicht. Die vaterländische Archäologie in Oberfranken öffnete sich in diesen Jahren einer Begeisterung für die deutsche Nation. Die Anfänge der historischen und archäologischen Forschung im Historischen Verein Bamberg hatten dagegen unter anderen Vorzeichen gestanden. Der Geschichtsverein, 1830 gegründet, war zunächst von der Geschichtspolitik des bayerischen Königs Ludwig I. beeinflusst, die auf die gesellschaftliche Integration der nach der Säkularisation an Bayern gegangenen Gebiete und die Etablierung eines neuen gesamtbayerischen Geschichtsverständnisses zielte. Dieses Identifikationsangebot wurde im ehemaligen Fürstbistum Bamberg in spezifischer Weise aufgefasst. Die Arbeit des Vereins bot nämlich – im Subtext – die Gelegenheit, ideell an der durch die Säkularisierung verlorengegangenen Eigenstaatlichkeit Bambergs festzuhalten. Vermittelt wurde diese Sichtweise in der Darstellung der Gründungsgeschichte des 1007 zur Slawenmission gegründeten Bistums in Veröffentlichungen zur Geschichte und Archäologie Oberfrankens, die der Historische Verein zu Bamberg vorlegte.