Zitationsvorschlag

Schlette, Magnus: Fly High. Zur digitalen Vermittlung von Wahrnehmung und Imagination, in van Oorschot , Frederike, Allolio-Näcke , Lars und Haug , Simon (Hrsg.): Mensch 4.0: Interdisziplinäre Explorationen sich verändernder Weltverhältnisse, Heidelberg: heiBOOKS, 2024 (FEST Forschung, Band 3), S. 373–394. https://doi.org/10.11588/heibooks.1516.c22014

Identifier (Buch)

ISBN 978-3-911056-26-7 (PDF)

Veröffentlicht

19.12.2024

Autor/innen

Magnus Schlette

Fly High. Zur digitalen Vermittlung von Wahrnehmung und Imagination

Die Anwendungen elektronischer Datenverarbeitung ermöglichen mit erstaunlicher Eindringlichkeit Erfahrungen virtueller Realität. Die digitale Erzeugung visueller Umwelten durch Leinwände oder Bildschirme, in speziellen Räumen oder mit einer VR-Brille wird vielfältig und auch von der Unterhaltungsindustrie genutzt. Tatsächlich ist der Unterhaltungswert computergenerierter Umwelten offenbar enorm. In der Entwicklung der Gunstverteilung auf unterschiedliche Unterhaltungsmedien scheint es eine Tendenz zur Bevorzugung derjenigen Medien zu geben, die, gemessen am jeweils technisch Möglichen, die Evidenz fingierter Umwelten am besten erzeugen und das Eintauchen in diese Umwelten am besten ermöglichen: eine Tendenz vom Bild zum Film, vom analogen zum digitalen Film, vom digitalen Film zum Videospiel, vom monitorübertragenen Videospiel zum Cave Automatic Virtual Environment (CAVE) und zum Head-Mounted-Display. Warum? Der Aufsatz erprobt eine philosophische Antwort auf diese naheliegende Frage. Sie geht von einer Analyse des menschlichen Wahrnehmungs- und Bildbewusstseins aus, untersucht die Bewusstseinsgegebenheit bewegter und digitaler Bilder sowie schließlich der digitalen Erzeugnisse dreidimensionaler und interaktiver Umwelten. Auf diese Weise wird deutlich, dass ein zentrales Merkmal der spielerischen Interaktion mit virtueller Realität in der wahrnehmungsförmigen Wahrnehmungsentlastung besteht. Darum eignen sich die fingierten Umwelten virtueller Realität besser als alle ihnen vorangegangenen Stufen der Entwicklung von Bildmedien dazu, uns ein Gefühl von Freiheit vermitteln. Es besteht darin, den Widerfahrnischarakter der Wahrnehmung vermittels einer piktorialen Externalisierung unseres Einbildungsvermögens, und damit selbst unter Wahrnehmungsbedingungen, nahezu beliebig manipulieren zu können. Mit Hilfe virtueller Realität können Menschen lustvolle Vorstellungen in einem zuvor unbekannten Maß ihrer Wahrnehmung einbilden, das Wahrnehmungsvermögen von der Einbildungskraft dominieren lassen und damit zugleich ihren Imaginationen den Anschein von Realität verleihen.