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Die Zukunft des kunsthistorischen Publizierens
27 Mar 2021
Living Documents statt totes Holz. Alternative Publikationsformen im Kontext der Digital Literacy
Zusammenfassung: Die Digitalisierung eröffnet Wissenschaft und Kulturbetrieben neue Handlungsräume im Netz, verändert die publizistische Wertschöpfungskette, die Dimensionen von Wissensvermittlung und die Facetten einer an Sichtbarkeit, Reichweite, Quantität oder Qualität gebundenen Wirksamkeit (Impact). Der Roll-out von Informationen ist zusehends an neue Betriebsfaktoren wie Aktualität und Aktualisierbarkeit, Öffentlichkeit oder Nachnutzbarkeit gebunden. Kultureinrichtungen gestalten diese Handlungsräume im Kontext der eigenen E‑Culture, Wissenschaftler im Kompetenz- und Wirkungsbereich der eigenen Digital Literacy.
Keywords: Blog, Datenbanken, Digital Literacy, Digitale Strategie, Digitalisierung, Fachcommunity, Impact, MuseumsBaustein, Social Media, Storytelling, Wirksamkeit, Wissenschaftskommunikation
Abstract: Digitisation opens up new opportunities for science and cultural institutions to expand their fields of action on the net, changes the values in the publishing chain, the dimensions of knowledge mediation and the facets of effectiveness linked to visibility, quantity or quality (impact). The rollout of information is increasingly linked to new operational factors such as topicality and updatability, publicity or reusability. Cultural institutions shape these spaces for action in the context of their own e-culture, and researchers in their competence and impact regarding their own digital literacy.
Keywords: Academic communication, blog, databases, digital literacy, digital strategy, digitization, effectiveness, impact, MuseumsBaustein, professional community, social media, storytelling
Blickt man heute auf die publizistische Wertschöpfungskette [Wikidata, GND] von Kunstgeschichte, vor allem im musealen Kontext, so wird man mit einem weiten Gelände zwischen Forschung, Vermittlung und Kommunikation konfrontiert. Symbolisch dafür steht vielleicht die Restaurierung der Nachtwache im Rijksmuseum in Amsterdam, wo seit 2019 unter dem Label Operation Night Watch ein komplexes Forschungs- und Restaurierungsprojekt auf einer maximalen Publikationsstrecke entwickelt wird: „the largest research and restoration project ever for the Night Watch. This will happen live in the museum and you can be part of it”.1 Der Gesamtprozess der Restaurierung wird als Live-Event vor Ort und im Internet ausgeführt und macht die Vorgänge um Voruntersuchung, Befundaufnahme und Konservierung des Werks mit maximaler Transparenz sichtbar. Spektakulärer und öffentlicher als mit der zugehörenden Microsite,2 einer dokumentierenden Timeline, regelmäßigen Livestreams mit Experteninterviews und digitalem Schulterblick auf die Hände beziehungsweise Instrumente der Restauratoren, einem dezidierten Storytelling via Social Media (natürlich mit eigenem Hashtag #operationnightwatch) und flankierender beziehungsweise nachfolgender fachwissenschaftlicher Veröffentlichung (auch in Papierform) kann man objektbezogene Kunstgeschichte einem diversen Publikum gegenüber kaum publizieren. Gleichzeitig macht der Vorgang auch sichtbar, wie divers sich der Begriff „Publikation“ heute darstellen kann. Publikation ist eine Veröffentlichung mit verschiedenen Zielgruppen und Zielstellungen in digitalen und analogen Formaten über einen ganzen Zeitraum hinweg. Den strategischen Anlass für die maximal öffentliche Inszenierung der Restaurierung nennt der Generaldirektor Taco Dibbit in einem der ersten Videos zum Projekt: „Because the Night Watch belongs to all of us“.3
Neue Handlungsspielräume
Die Digitalisierung bringt nicht nur neue technische Alternativen für die eigentliche Drucklegung auf Papier und die Rezeption von Inhalten über abgeschlossene und statische Systeme (Aufsätze oder Bücher), sondern auch ein deutlich erweitertes Setting für die eigenen (oder institutionellen) Handlungsspielräume, die Dimensionen von Wissensvermittlung, die Dramaturgie von Informationen und die Gestaltung eines an Personen, Themen oder Institutionen gebundenen Impacts (im Sinne einer Wirksamkeit). Und schon der oben gezeigte Blick auf die Entwicklungen um die Nachtwache macht deutlich: „eine gradlinige Entwicklung (…) vom Papier zum Pixel findet nicht statt“.4 Sie war auch nicht zu erwarten, im Gegenteil: der Verlauf ist komplex.
Sichtbarkeit und Reichweite
Wirksamkeit wird in der Kommunikation gerne über die Parameter von Sichtbarkeit [Wikidata, GND] und Reichweite definiert. In diesen Parametern liegen im Idealfall die Kriterien von Qualität und Quantität immanent geborgen. Da Kunstgeschichte längst auch über Datenbanken [Wikidata, GND] entwickelt und transportiert werden kann5, wird schnell deutlich, dass „Schreibendes Lesen, lesendes Schreiben im Modus der permanenten Revision“ schon fast den „Normalfall hypertextueller Kulturtechnik“ darstellt6 und dieser sich in unterschiedlichen Auffang- und Abspielsystemen darstellen kann. Wo sich Arbeitsmethoden und Produktionsumgebungen ändern, ändert sich auch der Rollout von Informationen. Im Blick auf die besonderen Möglichkeiten und Herausforderungen der Digitalisierung lassen sich damit für Publikationen weitere Betriebsfaktoren wie Aktualität und Aktualisierbarkeit, Öffentlichkeit, Nachnutzbarkeit [Wikidata, GND] oder Flexibilität zufügen. Wir schreiben und inszenieren im Idealfall nicht nur für ein anspruchsvolles, zahlreiches und diverses Gegenüber, sondern agieren multi- und crossmedial im Kontakt oder in Konfrontation mit unterschiedlichen Zielgruppen auf einer internationalen Matrix. Wir publizieren für Menschen und für Maschinen – der interessierte Laie, der Fachkollege und der semantische Zugriff über einen Algorithmus oder die Schnittstelle [Wikidata, GND] zu einem anderen Datenbanksystem sind, je nach Intention, relevante Rezipienten. Der Vorgang der Veröffentlichung erscheint als komplexer Prozess und feingliedriger Möglichkeitsraum, der nicht nur von der ersten Idee bis zur finalisierten Schriftfassung reicht und die Inhalte transparent an die jeweilige Community [Wikidata, GND] in Wissenschaft und Öffentlichkeit vermittelt, sondern auch Perspektiven der gemeinsamen Entwicklung, Aktualisierung und Optimierung befördert. Dabei kann sich die Relevanz und die Wirksamkeit von Forschungsdaten in vielfachen und nachhaltigen Nutzungsszenarien multiplizieren. Die Sichtbarkeit von digital vorgehaltenen Informationen entscheidet sich mitunter in der Komplexität beziehungsweise Kompatibilität [Wikidata, GND] dieser Inhalte für einen diversen Anwendungskontext. Für das Design einer optimalen Veröffentlichung sind heute mitunter auch Fragestellungen zum Zeitpunkt beziehungsweise Ort der Abfrage sowie das von der Leserin oder dem Leser genutzte Setting (zum Beispiel das jeweils genutzte „Lesegerät“) maßgeblich. Um nur ein Beispiel zu nennen: gut 60 Prozent der Zugriffe auf Museumswebsites erfolgt mittlerweile von mobilen Endgeräten, das heißt auch die Lektüre komplexer Inhalte spiegelt ubiquitäre Rezeptions- und Lesegewohnheiten.
Handlungsfelder
Wenn wir heute in den Museen digitale Strategien entwerfen tun wir das im Blick auf fünf wesentliche Handlungsfelder (Abb. 1). Diese liegen in den Bereichen „Digitale Kompetenzen“ (der einzelnen Akteure), "Infrastrukturen und Ausstattung“, „Publikum im Wandel“, „Idee des erweiterten Museums (E-Culture)“ und „Digitale Transformation des Hauses“.
Im Übertrag auf die Handlungsfelder des Publizierens markiert die „digitale Kompetenz “ die Erfahrung und Fähigkeit einzelner Autor*innen, Informationen und Zusammenhänge in den digitalen Medien recherchieren beziehungsweise sie dort sinnvoll platzieren und effektiv vernetzen zu können. Die „Infrastruktur [Wikidata, GND]“ markiert die technische Arbeitsumgebung der einzelnen Wissenschaftlerin oder des Wissenschaftlers sowie die Verfügbarkeit von relevanten IT-Systemen (Hardware und Software) bei der Erstellung und Distribution der Inhalte. Der Blick auf das „Publikum im Wandel“ entwickelt die Fokussierung bestimmter Zielgruppen [Wikidata, GND] in der Ansprache und beim Rollout der Inhalte. Die E‑Culture bedeutet die Einbettung der Veröffentlichung in einen digitalen Gesamtkontext und eine übergeordnete Strategie (zum Beispiel einer Institution oder eines Urhebers). Wenn eine Autorin oder ein Autor heute einen Vortrag hält und diesen bereits während der Rede mit entsprechenden (meist vorprogrammierten) Tweets begleitet oder vertieft, im Anschluss das Redemanuskript auf seinem Blog publiziert und schließlich im Nachgang für die Veröffentlichung einer vertiefenden Schriftfassung sorgt, so hat diese Autorin oder dieser Autor, nach meiner Auffassung, eine digitale Strategie und versucht den eigenen Wirkungsraum und -grad aktiv zu gestalten.
Der Impact
Im 21. Jahrhundert gestalten auch Kunstwissenschaftler*innen einen digitalen Impact, der fachliche, ökonomische, operative und soziale Einflussfaktoren oder Wirkungsmechanismen transportiert. Der Impact ist dabei nicht als quantitative Bewertungsgröße oder Qualitätszahl zu verstehen, sondern als Faktor der strategischen Inwertstellung von Wissen.
In den Museen nutzen wir als Planungsinstrument für diese Inwertstellung zum Beispiel die sogenannte Visitor Journey 7, bei der wir den Museumsbesuch und die möglichen digitalen Kontaktpunkte mit den Besucher*innen beziehungsweise Nutzer*innen in einer chronologischen Abfolge analysieren. Dabei ergibt sich oftmals ein klarer Blick auf die unterschiedlichen Bedarfe der diversen Besucher*innen in differenzierten Situationen. So unterscheiden wir zum Beispiel die Vor- beziehungsweise Nachbereitung des Museumsbesuchs, den Weg durch das Haus, den Aufenthalt in der Schausammlung und die Begegnung mit den Objekten oder die rein virtuelle Begegnung in kompletter Unabhängigkeit von der physischen Präsenz vor Ort (Abb. 2). Für jeden dieser aktiven und passiven Kontaktpunkte gibt es ein spezifisches Setting, das im Blick auf die unterschiedlichen Zielgruppen die jeweiligen Bedarfe und den Impact des Museums fokussiert.
Als Strategie gedacht scheint mir dieser Ansatz durchaus auf die Wertschöpfungskette der Wissenschaft, die Phasen von Forschung, Wissenschaftskommunikation [Wikidata, GND] und Publikation, übertragbar: Es geht um den eigentlichen Prozess der Forschung bis zur Vorbereitung einer Veröffentlichung, die Dimensionierung der eigentlichen Publikation im Blick auf den gewünschten Wirkungsgrad [Wikidata, GND] und die Perspektive der Weiterentwicklung oder Nachnutzbarkeit der Inhalte in der Dimension des Impacts. Zur Ausgestaltung dieser Journey sind heute eine Vielzahl publizistischer Formate in unterschiedlichen Strukturen nutzbar. Der Blick geht auf die zahlreichen Micro- und Zwischenformate, die nicht nur fertig Durchdachtes, sondern auch im Denken Begriffenes, Entstehendes, zur Lektüre, zur Diskussion, zur Vernetzung oder zur kollaborativen Entwicklung freigeben. Richtig angewendet und strukturiert tragen solche Prozesse dazu bei, der Partikularisierung und Unübersichtlichkeit von wissenschaftlicher Kommunikation und Publizistik wieder Struktur zu verschaffen. Selbst Microbloggingplattformen wie Twitter [Wikidata, GND] können hochfrequente Denk-, Inspirations- und Dialogräume für unterschiedlichste Fachcommunities öffnen. In der internationalen Echokammer dieser Bühne schafft die Plattform als komprimierende Meta-Ebene eine Vernetzungsmatrix, die konkurrenzlos bleibt.
Auch das klassische kunstwissenschaftliche Blog [Wikidata, GND]8 bleibt als Instrument des vorbereitenden oder begleitenden Publizierens hartnäckig am Markt. Fast schon seit Jahrzehnten erscheint das Instrument des privaten „Logbuchs“ im Eigenbetrieb oder im Schulterschluss auf Gemeinschaftsplattformen wie hypotheses.org nach wie vor attraktiv. Eine Umfrage auf der geisteswissenschaftlichen Blogplattform hypotheses.org brachte kürzlich das Ergebnis, dass „Wissenschaftsbloggen nach wie vor äußerst vielfältige Praktiken unterschiedlicher Ausprägung umfasst. Als Trend lässt sich ein professioneller und strategisch bewusster Einsatz von Blogs ausmachen, die auch bei technisch wenig affinen Forschenden ihren Platz als zusätzliches Kommunikationsmittel gefunden haben. [...] Die Umfrageergebnisse widerlegten das gängige Vorurteil, wonach Wissenschaftsblogs als niedrigschwelliges Medium gern genutzte Publikationsorte sind, in dem [sic] jeder und jede ohne Qualitätskontrolle über alles schreibt“.9 72 Prozent der Bloggenden, so schreibt Mareike König in Ihrem Beitrag, hatten sehr genaue Vorstellungen von den kommunizierten Inhalten. Und Kommunikation wurde von der Gruppe der befragten Geisteswissenschaftler*innen als oberstes Ziel genannt, die überwiegend ein akademisches Publikum anvisieren (52 Prozent). Im Blick auf den Erfolg der Wissenschaftsblogs bekannte sich rund die Hälfte der Befragten zur Auffassung, dass Bloggen dabei hilft 1) ein Thema zu besetzen, 2) Gedanken zu ordnen und auszuprobieren sowie 3) die eigene Forschungstätigkeit zu dokumentieren.
Von Digital Literacy und Online Reputation Management
Als Handlungsgrundlage für das strategische Setting der eigenen publizistischen Tätigkeit wird eine individuelle (auch institutionelle) Digital Literacy immer wichtiger. Dabei geht es um die eigene Medienkompetenz [Wikidata, GND] innerhalb der Digital Humanities [Wikidata, GND] und der hochdynamischen Spielräume der Digitalisierung, um die Fähigkeit, über digitale Medien dargestellte Informationen unterschiedlicher Formate zu verstehen und selbstbestimmt, souverän, verantwortlich und zielgerichtet anwenden zu können. Zielrichtung und Anwendung bedeuten dann auch ein methodisches und ein publizistisches Setting, inkludieren aber eben auch Erfahrungen in der Gestaltung crossmedialer Handlungsräume mit reflektierter Steuerung der gewünschten Sichtbarkeit der eigenen Beiträge: Wie am Museum vor dem Hintergrund der digitalen Transformation die Handlungsräume Dokumentation, Vermittlung und Kommunikation verschwimmen, diffundieren hier Online Reputation Management, Wissenschaftskommunikation und Publizistik. Digital Literacy bedeutet dann auch eine Entscheidungskompetenz, die den Einzelnen befähigt, innerhalb dieses Settings Entscheidungen zu treffen oder den eigenen Impact zu organisieren.
Wie deutlich solche Entwicklungen schon seit einiger Zeit Berufsbilder verändern, sehen wir zum Beispiel im Blick auf eine Studie des Art-Fund in England, der 2017 das Berufsbild des Kurators [Wikidata, GND] im 21. Jahrhundert hinterfragte.10 Im Ergebnis skizziert die Studie des Art Fund ein Aufgabenspektrum, das auch deutliche Positionen in der Digital Literacy besetzt: „The 21st-century curator wants to engage with digital technology and new communication platforms, and herness them in sharing collections and knowledge“ und „digital technology has transformed relationships: Curators can now share knowledge more easily and quickly, both with the public and between colleagues and institutions“.11
Ein Projekt im Kontext der Digital Literacy der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern
Vor dem oben skizzierten Hintergrund hat auch die Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern an der eigenen Digital Literacy gearbeitet und einen frischen Blick auf klassische Publikationsformate gewagt: Mit der Publikationsreihe MuseumsBausteineunterstützt und fundiert die Landesstelle seit Jahrzehnten die Aufgaben der klassischen Museumsarbeit und bietet ihren Kunden konkrete Hilfestellung für museale Fragen bei den wichtigsten Themen. In den vergangenen Jahrzehnten sind dazu eine ganze Reihe klassischer Veröffentlichungen entstanden. Auf Papier wurden zunächst bei Schnell & Steiner, dann im Weltkunst-Verlag und ab Band 6 im Deutschen Kunstverlag Veröffentlichungen über Themen wie Inventarisation, Sammlungsdokumentation, Temperierung, Museumspädagogik oder Provenienzforschung herausgegeben. Mit Band 19 (Abb. 3) setzt die Landesstelle einen neuen Fokus und macht darauf aufmerksam, dass wesentliche Bereiche der Museumsarbeit heute auch in digitalen Aufgabenstellungen beheimatet sind.
Der Band trägt den Titel: Das erweiterte Museum. Medien, Technologien und Internet. Er dokumentiert aktuelle Technologien, beleuchtet wichtige Instrumente wie Websites, Online-Sammlungen, Social Media, Medienstationen, Multimediaguides und wesentliche Themen wie E-Learning, E-Publishing oder digitale Strategien. Dazu geben Expert*innen aus der Landesstelle, aber auch externe Autor*innen konkrete Tipps und Handlungsempfehlungen zu Konzeption, Produktion und Betrieb von Medien im Museum.
Die Publikation [Wikidata, GND] wurde nicht nur als klassische Printpublikation [Wikidata, GND], sondern auch als E-Book [Wikidata, GND] und mit einer digitalen Erweiterung mit einem DOI (Digital Object Identifier) [Wikidata, GND] herausgegeben. Die Veröffentlichung erscheint, wenn man so möchte, in drei verschiedenen Formaten: auf Papier, in einem Container-Format als EPUB [Wikidata, GND], und als browserbasiertes Online-Angebot. Die einzelnen Formate beziehungsweise Inhalte sind über QR-Codes [Wikidata, GND] miteinander verbunden und führen als Sprungmarken aus der Printpublikation auf die zugehörenden Medieninhalte in der digitalen Erweiterung. Damit möchte die Publikation nicht nur auf unterschiedliche Lesegewohnheiten des Publikums reagieren, sondern auch der besonderen Dynamik des Themas gerecht werden. Zugleich soll der technische Split Berührungsängste lindern, die Wahrnehmung für das Thema schärfen und die gesamten Inhalte einer Nachnutzbarkeit zuführen.
Das „Online-Angebot“ ist als digitale Erweiterung konzipiert und liefert vertiefende Links, Literaturhinweise, und direkt eingebettete vorbildliche Umsetzungen (die über persistente Adressen in den Archivierungsarchitekturen der Bayerischen Staatsbibliothek beheimatet sind). Technisch ist die Erweiterung in eine neu entwickelte Software [Wikidata, GND] eingebettet, die sich quasi selbst ausführen kann. Einmal aufgerufen, kann es auch offline betrachtet werden und bleibt im Browser aktiv.
Dieses publizistische Vorgehen bietet sich besonders für Themenstellungen an, die animierte, interaktive oder multimediale Inhalte transportieren. Diese können im Printbuch nicht platziert werden, sollten aber trotzdem dauerhaft zitierfähig und valide erhalten bleiben. Zudem sind gerade browserbasierte Online-Angebote für Inhalte prädestiniert, die in kleineren Einheiten rezipiert werden und einen hohen Aktualitätsgrad erfordern. In unserem Kontext hat der Leser das klassische Buch oder EPUB auf dem Tisch und nutzt das Smartphone oder den Desktop zur Vertiefung in der digitalen Erweiterung. Jedes der drei Publikationsformate ist aber auch für sich sinnvoll alleine zu nutzen und konsistent.
Eine besondere Herausforderung des Projekts war es, für jede Art von Inhalt das adäquate Transportmittel zu finden, wobei letztendlich lediglich jene Inhalte im ersten Segment der Container-Formate noch eine entfernte Ähnlichkeit mit dem haben, was die UNESCO heute unter einem Buch versteht, also „ein nicht periodisch erscheinendes, der Öffentlichkeit zugänglich gemachtes Druckerzeugnis von mindestens 49 Seiten.“12
Während Buch und E-Book im Wesentlichen dieselben Inhalte nur auf unterschiedlichen Medien transportieren (im E-Book wurden weitere multimediale Anreicherungen, wie zum Beispiel Videos, publiziert), versteht sich die digitale Erweiterung als Living Document. Das macht hier auch besonders Sinn, weil sie weniger eine wissenschaftliche Diskussion abbildet (was aber technisch auch möglich wäre), als auf das schnelle Verfallsdatum der Inhalte reagiert: oftmals sind Informationen oder webbasierte Quellen im Themenbereich der Digitalisierung schon zu dem Zeitpunkt überholt, wenn die Publikation gerade erscheint. Deshalb war es für uns schon zu einem frühen Zeitpunkt klar, dass wir bestimmte Informationen, in unserem Fall, die Adressierung von Quellenverweisen oder die Zitation von Best-Practice-Beispielen, aus dem statischen Buch in eine dynamische und redaktionell betreute Quelle verlagern müssen. Für die Umsetzung der Anwendung haben wir einen digitalen Partner gesucht und diesen im Zentrum für Elektronisches Publizieren der Bayerischen Staatsbibliothek (BSB) gefunden. Dabei war es dann auch besonders vorteilhaft, dass die Server der BSB auch Verfahren für eine dauerhafte Archivierung von Anwendungen kennen. Wir können also in unserer Publikation auch Zustände von Webseiten dokumentieren, die online irgendwann nicht mehr greifbar sind. Eine Publikation mit angegliedertem Web-Archiv.
Das „dynamische Projektportal“ basiert auf JavaScript-Technologie [Wikidata, GND] und führt Volltext als JSON [Wikidata, GND] und Bilder als SVG [Wikidata, GND] oder in base64 aus. Zusammenfassend kann das Projektportal wie folgt beschrieben werden:
  1. Die Inhalte verstehen sich im Wesentlichen als eine Kollektion von Anwendungsbeispielen und Quellen. Der Text bietet eine optionale „Führung“ durch diese Kollektion.
  2. Bei der Benutzung sind wir nicht auf ein lineares Lesen fixiert. Unsere Leser können über Text oder Anwendungs-Beispiele einsteigen, Inhaltliche Zusammenhänge sind uns wichtiger als eine Textlinearität.
  3. Wir verstehen Absätze und sonstige Bestandteile als „Objekte“. Diese sind durchgängig persistent zitierbar.
  4. Für die Autoren haben wir ein sehr einfaches webbasiertes CMS [Wikidata, GND] als Schreibumgebung, das Aktualisierungen und Versionierungen zulässt.
Selbstverständlich sind das Buch sowie die Inhalte des Portals via Open Access [Wikidata, GND] verfügbar. Alle Texte stehen unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY 4.0 International (Namensnennung) und können entsprechend weitergenutzt werden. Der Wert der Publikation für die Leserin oder den Leser resultiert also auch in einem konkreten Nutzwert, der sich neben dem reinen Inhalt auch aus den eingeräumten Rechten sowie dem konkreten Funktionsumfang der jeweiligen Softwareumgebung bemisst.
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Living Documents statt totes Holz. Alternative Publikationsformen im Kontext der Digital Literacy
Christian Gries
Neue Handlungsspielräume
Sichtbarkeit und Reichweite
Handlungsfelder
Der Impact
Von Digital Literacy und Online Reputation Management
Ein Projekt im Kontext der Digital Literacy der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern
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